Frau joggt im Winter während es schneit
Wie intensive Trainingseinheiten das Immunsystem beeinflussen können

Der Open-Window-Effekt

Wie intensive Trainingseinheiten das Immunsystem beeinflussen können

Nach intensiven Trainingseinheiten kann das Immunsystem vorübergehend aus dem Gleichgewicht geraten – der sogenannte Open-Window-Effekt. Was im Körper während dieser Phase passiert und wie man die Regeneration gezielt unterstützen kann, erfährst du in diesem Beitrag. Außerdem teilt Leistungssportler Jakob Hermann seine persönlichen Erfahrungen aus dem Trainingsalltag.

Was ist der Open-Window-Effekt?

Der Open-Window-Effekt beschreibt eine Phase nach intensiver körperlicher Belastung, in der das Immunsystem besonders beansprucht wird. Dieses „offene Fenster“ kann wenige Stunden bis zu zwei Tage dauern. In dieser Zeit reagiert der Körper auf die Trainingsreize, passt seine Abwehrmechanismen an und ist dabei kurzzeitig weniger ausgeglichen als im Normalzustand. Der Name „offenes Fenster“ steht sinnbildlich für eine Art Übergangszeit: Direkt nach einer harten Einheit sind die natürlichen Abwehrkräfte im Blut nicht so stabil wie zuvor. Stattdessen laufen im Hintergrund komplexe Prozesse ab, die den Organismus auf die kommende Regeneration vorbereiten. Für Sportler handelt es sich um eine Phase erhöhter Beanspruchung, in der das Immunsystem flexibel reagiert und seine Ressourcen neu verteilt.

Immunreaktionen nach starker körperlicher Belastung

Intensives Training fordert nicht nur Muskeln und Kreislauf, sondern beeinflusst auch das Immunsystem. Nach einer anstrengenden Einheit laufen im Körper zahlreiche Prozesse ab, die zeigen, wie eng Training bzw. Belastu ng und Immunfunktion miteinander verbunden sind. Forschende bezeichnen diese Reaktionen als Teil einer temporären Umstellungsphase, in der das Immunsystem seine Kräfte neu verteilt.

Blut in einem Laborrohr

Veränderungen im Blutbild

Bereits während des intensiven Trainings steigt die Zahl der weißen Blutkörperchen (Leukozyten) deutlich an. Dieser Anstieg ähnelt einer natürlichen Belastungsreaktion: Hormone wie Adrenalin und Noradrenalin verschieben bestimmte Immunzellen aus dem Gewebe in den Blutkreislauf, um den Körper kurzfristig auf erhöhte Anforderungen vorzubereiten. Nach dem Training fällt dieser Wert rasch wieder ab – oft sogar unter das Ausgangsniveau. Besonders betroffen sind Lymphozyten, darunter T-Zellen und natürliche Killerzellen (NK-Zellen), die an der Aufrechterhaltung der normalen immunologischen Funktionen im Körper beteiligt sind.

Mann mit Regenjacke joggt durch die Stadt

Funktionelle Anpassungen

Nicht nur die Zahl, auch die Aktivität der Immunzellen verändert sich nach intensiver Belastung. Untersuchungen zeigen, dass einige Zelltypen unmittelbar nach dem Training vorübergehend weniger aktiv sind. Ein weiterer typischer Marker ist die Abnahme des sekretorischen Immunglobulin A (IgA) im Speichel. IgA ist ein Antikörper, der auf den Schleimhäuten von Mund und Rachen als erste Schutzbarriere dient. Wenn dieser Wert nach dem Training sinkt, deutet das darauf hin, dass der Körper kurzfristig andere Prozesse priorisiert.

Mann joggt im Winter

Umverteilung ins Gewebe

Die Abnahme bestimmter Immunzellen im Blut bedeutet nicht, dass sie verschwinden oder inaktiv sind. Vielmehr werden sie in Gewebe wie die Lunge, die Atemwege oder die Schleimhäute umgeleitet, wo sie bei Bedarf sofort aktiv werden können. Forschende sprechen von einer strategischen Neupositionierung: Der Körper verstärkt vorübergehend die Aktivität in Bereichen, die besonders stark an Anpassungsprozessen beteiligt sind . Diese Verschiebung sorgt dafür, dass der Organismus trotz vorübergehend niedriger Zellzahlen im Blut weiterhin effizient arbeitet – nur eben anders verteilt.

Lachsfilet auf einem Teller mit Cranberries, Zwiebeln und anderem Gemüse

Dauer der Phase

Wie lange dieses immunologische „Fenster“ geöffnet bleibt, hängt von mehreren Faktoren ab – vor allem von der Intensität, Dauer und Häufigkeit der Belastung sowie von Ernährung und Regeneration. In den meisten Fällen normalisieren sich die Werte innerhalb von drei bis 24 Stunden. Bei sehr langen Ausdauerbelastungen oder mehreren intensiven Trainingstagen hintereinander kann die Phase jedoch bis zu 72 Stunden andauern.

Typische Anzeichen und Risikofaktoren

Der Open-Window-Effekt macht sich nicht bei allen Sportlern gleich bemerkbar. Während manche kaum eine Veränderung spüren, berichten andere in den Stunden nach sehr intensiven Einheiten über subtile Signale des Körpers. Häufig treten Müdigkeit, ein vermindertes Energiegefühl oder eine erhöhte Sensibilität gegenüber Temperaturschwankungen auf – unspezifische Reaktionen, die anzeigen, dass der Organismus mit der Regeneration und Wiederherstellung seines inneren Gleichgewichts beschäftigt ist.

Diese Signale gelten als Teil normaler Anpassungsprozesse und zeigen, dass der Körper Energie und Ressourcen in die Wiederherstellung seiner physiologischen Systeme investiert. Wer in dieser Phase weiter intensiv trainiert, erhöht die Belastung für das Immunsystem zusätzlich.

Neben diesen kurzfristigen Anzeichen gibt es auch Faktoren, die das offene Fenster verstärken können:

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Trainingsintensität und -dauer

Die Stärke des Effekts hängt maßgeblich vom Trainingsreiz ab. Besonders lange Ausdauereinheiten (z. B. Marathons, Radmarathons oder Triathlons) und hochintensive Intervalle führen zu deutlicheren Veränderungen der Immunparameter. In Studien zeigte sich, dass Belastungen über 90 Minuten mit hoher Intensität besonders stark auf Immunzellen und Stresshormone wirken.

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Unzureichende Regeneration

Regeneration ist entscheidend, um das Immunsystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Fehlen ausreichender Schlaf und Ruhezeiten, bleiben Cortisol und Adrenalin länger erhöht – Hormone, die kurzfristig leistungsfördernd wirken, langfristig jedoch die Immunaktivität dämpfen können. Ein dauerhaft hohes Stresshormon-Niveau verlängert damit das „offene Fenster“ und erhöht die Beanspruchung des Körpers.

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Niedrige Energiezufuhr und Blutzuckerspiegel

Bei unzureichender Energiezufuhr, besonders nach langen oder intensiven Trainingseinheiten, sinkt der Blutzuckerspiegel ab. Das führt zu einer verstärkten Ausschüttung von Stresshormonen und beeinflusst die Zahl und Funktion bestimmter Immunzellen. 

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Psychischer und emotionaler Stress

Nicht nur körperliche, sondern auch mentale Belastungen wirken auf das Immunsystem. Stress durch Wettkampfdruck, Schlafmangel oder private Anspannung erhöht die Ausschüttung von Cortisol, das wiederum immunregulierend wirkt. Wer in solchen Phasen trainiert, erlebt das Open Window oft intensiver – selbst bei vergleichbarer körperlicher Belastung.

Blog Weltkugel Blog-Icon Globus
Umweltfaktoren

Auch äußere Bedingungen können die körperliche Reaktion auf intensive Belastungen beeinflussen. Faktoren wie trockene Luft, kühlere Temperaturen oder große Höhen stellen zusätzliche Anforderungen an den Organismus. Ebenso können geringer Flüssigkeitskonsum oder sehr warme Bedingungen die üblichen Anpassungsprozesse etwas verlangsamen. Solche Einflüsse sind vor allem in Phasen relevant, in denen mehrere Belastungsfaktoren zusammenkommen. 

Wichtig ist: Diese Reaktionen sind Teil normaler Anpassungsprozesse des Körpers. Sie spiegeln wider, dass das Immunsystem in dieser Zeit besonders gefordert ist.

Präventive Maßnahmen: Ernährung, Regeneration und Supplemente

Auch wenn der Open-Window-Effekt ein normaler Teil der Trainingsanpassung ist, können Sportler einiges tun, um das Immunsystem in dieser Phase zu unterstützen. Forschungsergebnisse zeigen, dass vor allem ausreichende Regeneration und eine ausgewogene Ernährung einen entscheidenden Einfluss haben. Ergänzend können in bestimmten Situationen auch Supplemente sinnvoll sein.

  1. Regeneration und Schlaf

Erholung ist die Basis jeder Trainingsanpassung. Nach intensiven Belastungen benötigt der Körper Zeit, um Energie- und Hormonhaushalt wieder zu stabilisieren. Schlaf spielt dabei eine zentrale Rolle: In der Tiefschlafphase werden Wachstumshormone ausgeschüttet, die die Erholungsprozesse in Muskeln und Gewebe fördern. Studien zeigen, dass regelmäßiger Schlafmangel die Konzentration wichtiger Immunzellen wie Lymphozyten und NK-Zellen beeinflussen kann. Auch aktive Regeneration – etwa lockeres Auslaufen, Mobility-Training oder ein Tag mit geringer Trainingsintensität – unterstützt den Körper dabei, Belastungen auszugleichen und Stresshormone wie Cortisol wieder auf ein normales Niveau zu bringen. .

  1. Ernährung und Energiezufuhr

Ein stabiler Energiehaushalt spielt eine wichtige Rolle für die normale Funktion des Immunsystems. Sinkt der Blutzuckerspiegel während oder nach einer langen Einheit stark ab, verändert sich die Ausschüttung von Stresshormonen – was wiederum Immunzellen beeinflussen kann. Eine kontinuierliche Kohlenhydratzufuhr während längerer Ausdauerbelastungen (z. B. 30–60 g Kohlenhydrate pro Stunde) kann diese Reaktionen abmildern.

Auch die Zusammensetzung der Ernährung ist bedeutend: Eine abwechslungsreiche Zufuhr von Obst, Gemüse und Nüssen liefert wichtige Antioxidantien, die zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress beitragen können. Vitamin C wird in wissenschaftlichen Untersuchungen häufig im Kontext intensiver sportlicher Belastungen betrachtet. Dabei steht vor allem sein Beitrag zur normalen Funktion des Immunsystems sowie zum Schutz der Zellen vor oxidativem Stress im Fokus,

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  1. Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt

Ausreichende Hydration ist ein oft unterschätzter Faktor. Schon ein moderater Flüssigkeitsverlust kann die normalen körperlichen Abläufe beeinflussen und zusätzliche Belastung für den Organismus darstellen. Elektrolyte wie Natrium, Kalium und Magnesium unterstützen dabei die Zellfunktionen, die an der Immunantwort beteiligt sind.

  1. Trainingssteuerung

Die Gestaltung und Abfolge des Trainings beeinflussen ebenfalls, wie der Körper auf intensive Belastungen reagiert. Häufige hochintensive Einheiten ohne ausreichende Pausen verlängern die Phase, in der das Immunsystem besonders gefordert ist. Durch eine sinnvolle Periodisierung – also die Kombination aus intensiveren und leichteren Trainingstagen – kann der Körper Belastungen besser verarbeiten und langfristige Leistungsentwicklungen werden unterstützt.

Tipps von Jakob Herrmann zur Stabilisierung der Abwehrkräfte

Als Profi-Skibergsteiger ist Jakob Herrmann das ganze Jahr über Wind und Wetter ausgesetzt – umso wichtiger ist für ihn, nach dem Training auf eine starke Abwehr zu achten. Wie er sein Immunsystem schützt und worauf er in der kalten Jahreszeit besonders achtet, fasst er in seinen persönlichen Tipps zusammen:

Jakob Herrmann mit Ski und Stecken am Berg
© Philipp Reiter

Ein Grundsatz bei mir ist, dass mir nicht kalt wird. Egal ob ich nach dem Training noch längere Zeit im Freien oder schon in der warmen Stube bin. Solange man in Bewegung ist, spürt man die Kälte meist nicht so stark, aber wenn man mit der Einheit fertig ist, sollte man sofort auf warme trockene Bekleidung wechseln. Ausschlaggebend bei mir sind immer der Kopf und die Füße. Ich liebe Mützen und schütze so meinen Körper, dass die Wärme nach oben nicht verpufft. Gleiches gilt auch bei den Füßen. Trockene Socken und Schuhe sind zu empfehlen. Dieser Grundsatz gilt nur, wenn man noch längere Zeit im Freien ist – hier helfen auch warme Getränke, damit man das Gefühl hat – von innen gewärmt zu werden. 

Die Allzweckwaffe Vitamin C 1000 gepuffert steht bei mir ganz oben. Ich ergänze es jeden Tag zum Frühstück. Weiters setze ich auf Vitamin K&D und B-Vitamine. Somit halte ich mein Spiegel immer hoch und kann so das Immunsystem schon in der Früh unterstützen. Vor dem Winter erhöhe ich die Vitamin D Dosis mit Vitamin D liquid, um perfekt in die kalten und sonnenarmen Monate zu starten. Zink kommt zusätzlich ins Spiel, wenn ich merke, dass mein Körper Unterstützung braucht. 

Das Immunsystem sollte man weiters mit einer ausgewogenen Ernährung stabilisieren. Eine niedrige Energiezufuhr ist in dieser Situation nicht ideal und sollte man, soweit es geht, vermeiden. 

Es gibt viele Möglichkeiten, dass man die Abwehrkräfte durch die Ernährung positiv beeinflussen kann. Eines sollte man jedoch nie außer Acht lassen. Manches lässt sich trotz aller Vorsicht nicht vollständig beeinflussen, deshalb sollte der soziale Kontakt zu seinen Mitmenschen nicht gemieden werden. Eher im Gegenteil – es tut gut, seine Freunde zu treffen und Spaß zu haben. 

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Über Jakob Herrmann

Jakob Herrmann zählt zu den erfolgreichsten Skibergsteigern Österreichs und ist seit vielen Jahren Teil des Pure Encapsulations® Athleten-Teams. In seinem Sportlerportrait erfährst du mehr über seinen Werdegang und seine größten Erfolge.

Mehr über Jakob Herrmann lesen

Verfasst von

Maximilian Zimmer
Biochemiker, Molekularbiologe & Diplomierter: Personal-, Fitness-, Gesundheits- und Functional-Trainer
Mehr vom Autor

Einzelnachweise

  1. Nieman D.C.; The “open-window” theory of exercise and immunity; Journal of Sports Medicine 1994;https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/20839496/, abgerufen am 03.10.2025
  2. Walsh N.P.; Exercise and immunity – recent developments; Immunology and Cell Biology 2011;https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/10091272/, abgerufen am 03.10.2025
  3. Peake J.M. et al.; Recovery of the immune system after exercise – current perspectives; Journal of Applied Physiology 2017;https://journals.physiology.org/doi/abs/10.1152/japplphysiol.00622.2016, abgerufen am 03.10.2025
  4. Hemilä H.; Nutrition and athlete immune health – new perspectives on prevention of illness in athletes; Journal of Sports and Health Science 2019;https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC6901425/, abgerufen am 03.10.2025
  5. Walsh N.P. et al.; Position statement. Part two: Maintaining immune health; Exercise Immunology Review 2011;https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21446353/, abgerufen am 03.10.2025
  6. Gleeson M.; Immune function in sport and exercise; Journal of Applied Physiology 2007;https://journals.physiology.org/doi/full/10.1152/japplphysiol.00008.2007, abgerufen am 03.10.2025
  7. Walsh N.P. et al.; Position statement. Part one: Immune function and exercise; Exercise Immunology Review 2011;https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/21446352/, abgerufen am 03.10.2025